Ein vorgelegter Gesetzesentwurf zur sogenannten Störerhaftung wird von Rechtsexperten und den Branchenverbänden Händlerbund und Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) stark kritisiert. Zu abstrakt und schwammige Formulierungen, europarechtswidrig und ohne wirkliche praktische Umsetzbarkeit – so sehen die Experten den aktuellen Entwurf.
(Bildquelle Routerkabel: Bestshortstop via Shutterstock)
Das von der Gesetzesänderung angestrebte Ziel ist es, mehr öffentlich zugängliche WLAN-Hotspots durch klare Regelungen der Störerhaftung seitens der WLAN-Betreiber schaffen zu wollen. Deutschland liegt im europäischen und internationalen Vergleich noch weit hinten, wenn es um öffentliche WLAN-Hotspots geht. Das zweite Telemedienänderungsgesetz (2.TMGÄndG) soll die Digitalisierung in Deutschland weiter vorantreiben, den stationären und digitalen Handel vernetzen, sowie die Digitale Mobilität in Deutschlands Städten und Kommunen verbessern. Der derzeitige Entwurf der Bundesregierung ist jedoch seitens der Politik, Wirtschaft und Verbände heftig umstritten, da er den Ausbau von öffentlichen WLAN-Zugängen wohl eher hemmen wird.
Zu abstrakt und schwammige Formulierungen
Die vorwiegend als Sachverständige geladenen Juristen waren sich einig, dass der Entwurf nicht Rechtssicherheit schaffe. Herr Dr. Frey, Rechtsanwalt, kritisierte u.a. dass Formulierungen zu abstrakt, schwammig und auch mitunter austauschbar verwendet wurden. Dies würde zwangsläufig zu permanenten Rechtsstreitigkeiten von WLAN-Anbietern und Rechteinhabern führen. Die Regelung zur Störerhaftung sei derart „verästelt“ und kompliziert, dass eine Abmahnwelle seitens der Rechteinhaber befürchtet wird.
Entwurf ist europarechtswidrig
Um Rechtsverletzungen zu verhindern, sieht der Gesetzentwurf eine Pflicht von Hotspots-Betreibern „zu zumutbaren Sicherungsmaßnahmen“ der Netze vor, u.a. aber nicht nur begrenzt auf Routerverschlüsselung und eine Passwortpflicht. Diese Sicherungsmaßnahmen im Entwurf würden laut Experten gegen geltendes EU-Recht verstoßen. Artikel 15 und 12 der Ecommerce-Richtlinie von 2000 stellen eindeutig klar, dass es Mitgliedstaaten ausdrücklich untersagt ist, Kommunikationsdaten von Sendern und Empfängern überwachen und kontrollieren zu lassen. Der Berliner Richter Dr. Buermeyer verwies in der Anhörung noch einmal klar an die Stellungnahme der EU-Kommission, die ebenfalls zur gleichen Erkenntnis gelangte.
Praktische Umsetzung verfassungswidrig und unmöglich
Eine praktische Umsetzung der Sicherungspflichten würde, nach Einschätzung der Sachverständigen, auf ein verfassungswidriges Überwachen und Überprüfen der Daten hinauslaufen. Volker Tripp vom Verein Digitale Gesellschaft wies daraufhin, dass nach strenger Auslegung des Gesetzes die Betreiber zu einer Protokollierung und Filterung der Daten und Dateninhalte, auch „Deep-Paket-Inspection“ genannt, verpflichtet wären. Eine derartige Regulierung von Datenströmen wäre zum einen praktisch unmöglich, denn es müsste nicht nur geprüft werden ob die Inhalte illegal heruntergeladen werden, sondern auch ob diese Inhalte dann auch rechtswidrig benutzt, bzw. geteilt werden. Zum anderen wäre solch eine Praxis höchst verfassungswidrig, denn sie setzt einen tiefen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Nutzer voraus.
Gesetz muss überdacht werden
Die abschließende und eindeutige Empfehlung der Experten war eine Haftungsgleichstellung der WLAN-Betreiber mit den Access-Providern und würde somit faktisch die Störerhaftung für Hotspots-Anbieter abschaffen. Diese wird bereits vom Bundesrat, der Bundestagsfraktion Die Grünen und Die Linke, sowie dem Händlerbund und dem Bundesverband für Digitale Wirtschaft gefordert. Man könne zwar auch das Urteil des laufenden Prozesses des Europäischen Gerichtshofes zur Störerhaftung abwarten, jedoch müsste der deutsche Gesetzgeber danach sowieso regulatorische Nachbesserungen vornehmen.
Geschrieben vonHändler bund e.V